SCHOTTEN DICHT by Reiner Luyken

SCHOTTEN DICHT by Reiner Luyken

Autor:Reiner Luyken [Luyken, Reiner]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlag GmbH
veröffentlicht: 2015-08-07T16:00:00+00:00


Regenbogen über Achiltibuie

Dudelsäcke

Für Frohsinn, erklärt der Kapitän des Küstendampfers Vital Spark in einer Anekdotensammlung über den meisterlichen Seefahrer Para Handy, gehe nichts über den Dudelsack. Für Frohsinn? Sind wir dem merkwürdigen Instrument bisher nicht als Kriegswaffe begegnet?

Neulich kam Fred Morrison nach Achiltibuie und gab ein Konzert in der Dorfhalle. Seine Finger rasten auf seinem Instrument auf und ab, dass es uns, den ihm Lauschenden, den Atem verschlug. Wir konnten gar nicht mehr still sitzen. Er hielt sich an keine Regel und Konvention der Regimentsmusik. Er spielte quer durch die Harmonien, er verzerrte und verjazzte und improvisierte. Er stand nicht in Kilt und Highlandkostüm auf der Bühne, er marschierte nicht im Marschtempo der Musik auf und ab, er saß in Hemd und Jeans auf einem Stuhl, und er begleitete seine Töne mit der gefühlsverzerrten Visage eines emotionsvollen Pianisten. Ich saß neben Kenny »Manager« MacLennan (den ich übrigens immer Kenny nenne, obwohl er es mir nicht übelnehmen würde, wenn ich ihn als Manager anreden würde, und der auf der Insel Skye den Namen Kenny Salmon trägt. Aber das ist eine andere Geschichte, auf die wir vielleicht später noch zu sprechen kommen werden). Kenny war total hingerissen. Noch nie, gab er begeistert zu verstehen, was bei ihm etwas heißen will, habe er solch eine Musik gehört. Fred Morrison ist der Paganini der Dudelsackwelt.

Der Dudelsack gehört zur Lebensart Achiltibuies. Vielleicht wäre es eine Übertreibung, zu behaupten, in jedem Haus werde die Sackpfeife geblasen. Sagen wir, in jedem dritten Haus. Kenny Manager hat vier Töchter; alle vier sind versierte Piper. Zwei unserer vier mittlerweile erwachsenen Kinder spielen das Instrument mit den drei Brummpfeifen, dem Balg und der Melodieflöte noch, zwei von dreien, die es gelernt haben. Der ältere Sohn Lewis, der mit seiner elfenschlanken südenglischen Frau und ihren zwei Kindern nach dem im ersten Kapitel geschilderten Neujahrsabend nach Australien emigrierte, sackpfeift in der Dudelsackkapelle von Mackay im Bundesstaat Queensland; sein zweijähriger Sohn Archie hört ihm bereits geflissentlich beim Üben auf der Chanter zu und bittet ihn, ihm vorzuspielen, damit er dazu tanzen kann. Ein weiterer Dudelaspirant in der Familie. Von unserem jüngeren Sohn Jörg werden wir gleich noch hören.

Früher, als die alte Ordnung dem modernen Leben noch nicht stattgegeben hatte, gab es nur einen Dudelsackspieler im Ort, Kenny Stewart, Schafbauer, Junggeselle und mütterlicherseits ein Fraser mit einem der lokal akzeptierten Kreuzungstheorie entsprechenden Kopf aus Felsgestein. Wenn bei ihm jemand zu Besuch kam, dauerte es nicht lange, bis er seine Sackpfeife hervorholte, den Balg aufblies, die Pfeifen einstimmte, im Zweivierteltakt in der Küche auf- und abmarschierte und seinem selbst zusammengeschusterten Instrument sehr eigentümliche Töne entlockte. Das war zu einer Zeit, das wissen wir von Para Handy, als es nicht einfach war, einen Piper zu fassen zu kriegen. In den Tagen, als der Dampferkapitän die Westküste auf- und abkreuzte, beschäftigte der Marquess of Bute einen, der Duke of Argyll einen zweiten, und die Armee stellte der Königin einen persönlichen Piper im Buckingham Palace ab und einen zweiten während ihrer Ferien in ihrem Sommerschloss Balmoral. Aber sonst?

Dann begann eine Dudel-Renaissance.



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